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Publikation

Klassische Stromnetzberechnung in Kombination mit künstlicher Intelligenz zur Analyse und Diagnose von Stromverteilnetzen

Andreas Winter; Boris Brandherm; Michael Igel; Peter Schegner
In: VDE FNN / ETG Tutorial Schutz- und Leittechnik. VDE FNN / ETG Tutorial Schutz- und Leittechnik, VDE Verlag GmbH, 2/2022.

Zusammenfassung

Die Stromverteilnetze in Deutschland mit den dazugehörigen Netzschutz-, Überwachungs- und Steuerungskonzepten entsprechen häufig noch dem technischen Stand des einseitig gespeisten Energieflusses ausgehend von zentralen Kraftwerken hin zu den Verbrauchern. Die Energiewende und hier insbesondere auf der Verteilnetzebene der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die steigende Nachfrage nach elektrischer Energie wie beispielsweise durch die Elektromobilität oder Wärmepumpen konfrontieren Stromverteilnetze mit großen Herausforderungen für die Netzschutztechnik. Gerade in vermaschten Stromnetzen müssen innere Überlastungen der Betriebsmittel und Verletzungen des Selektivschutzkonzeptes vermieden bzw. erkannt und verhindert werden. Zusätzlich erschwert die Volatilität von Lasten und erneuerbaren Energien die Vorhersage zukünftiger Netzzustände, die Planung von Netzschutzkonzepten und deren Analyse und Bewertung. Dazu werden neuartige Methoden zur Überprüfung und Optimierung der Netzschutzkonzepte für eine stetig steigende Anzahl von komplexen Schutzszenarien benötigt. Neue Netzschutzkonzepte müssen eine Vielzahl von Szenarien im Stromverteilnetz mit volatiler Erzeugung und volatilem Verbrauch sowie wechselnden Schaltzuständen bewerten können, um Personen- und Betriebsmittelschäden zu verhindern. Im Rahmen des BMWi-geförderten Projektes GridAnalysis wird hierzu an einem hybriden Ansatz geforscht, der zur Analyse und Diagnose von Stromverteilnetzen die klassische Stromnetzberechnung mit der Künstlichen Intelligenz kombiniert. So können im Normalbetrieb Lastflüsse z.B. als Voraussetzung für eine optimale Einstellung eines Adaptiven Netzschutzes in großer Anzahl hochperformant berechnet werden. Wird in dem Projekt der Normalbetrieb der Stromnetze betrachtet, ist perspektivisch die Übertragung des hybriden Ansatzes auf Netzschutzszenarien auch im Kurzschlussfall denkbar. Verfahren der KI, die komplexe Muster lernen und im operativen Betrieb hoch performant umsetzen können, bieten hier wesentliche Vorteile gegenüber einer klassischen Stromnetzberechnung, die im Online-Betrieb sehr rechenintensiv ist. Mittels Deep Learning sollen künstliche neuronale Netze entwickelt und trainiert werden, mit denen sich verschiedene gewünschte Überwachungen, z.B. gebündelt in einem Assistenzsystem, automatisch durchführen lassen. Die für das Training der künstlichen neuronalen Netze erforderlichen Daten in einem großen Umfang liefert dabei eine klassische Stromnetzberechnung im offline-Betrieb. Ein Fallgenerator erzeugt verschiedene Lastzustände und leichte Variationen davon, die als Trainingsdaten für die neuronalen Netze benötigt werden und von der klassischen Stromnetzberechnung zu berechnen sind. Die Stromnetzberechnung und das Training der neuronalen Netze erfordern viel Rechenzeit und Rechenleistung – allerdings nur offline. Sobald die neuronalen Netze trainiert und für ihren Einsatzzweck als geeignet geprüft wurden, ist nur noch eine sehr geringe Rechenleistung erforderlich, so dass es mit neuronalen Netzen möglich sein sollte eine Vielzahl von Netzzuständen und somit auch entsprechende Selektivschutzkonzepte sehr schnell online prüfen zu lassen. Der Vortrag gliedert sich wie folgt: (A) Zunächst wird der Zuhörer in das Gebiet der Künstlichen Intelligenz mit einem Fokus auf die künstlichen neuronalen Netze eingeführt, indem deren Funktionsweise und vielfältigen interdisziplinären Einsatzgebiete aufgezeigt werden. (B) Im zweiten Abschnitt wird die KI-basierte Netzsimulation mit ihren Komponenten vorgestellt. Die Komponenten reichen von der Datenaggregation und Datenanalyseverfahren über klassische Netzberechnungsmethoden bis hin zu KI-Modellen und einem intelligenten Assistenzsystem. Dabei wird auf die KI-basierte Netzzustandsanalyse und Netzzustandsdiagnose fokussiert. (C) Der dritte Abschnitt schließt mit einem Ausblick auf bereits ins Auge gefasste Weiterentwicklungen im Bereich der Netzschutzanalyse und -diagnose und der Optimierung von Netzschutzkonzepten ab. Es wird der Bezug zur Netzschutztechnik an Beispielen wie z.B. dem Adaptiven Netzschutz aufgezeigt. Die Anforderungen der Energiewende an die Stromverteilnetze können durch den Einsatz KI-basierter Systeme zusammen mit Netzberechnungsprogrammen perspektivisch effizienter bewältigt werden. Der Beitrag soll aufzeigen, dass der hybride Ansatz von Stromnetzberechnung mit Künstlicher Intelligenz zukünftig ein hohes Einsatzpotenzial für die Planung, Analyse und Optimierung von Netzschutzkonzepten erbringen kann.

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